Universale Religion
12 Zitate
zum Verständnis der
Neuen Zeit
aus K. O. Schmidt Universale Religion nach Vivekananda Werden, Wesen, Wollen und Verwirklichung Drei Eichen Verlag
1 Religio
ist – dem Wort wie dem Wesen nach –
liebende Wieder-Verbindung
des menschlichen Geistes
mit dem göttlichen Allgeist,
Wieder-Bewußtwerdung
seiner ursprünglichen und ewigen
Gottunmittelbarkeit.
Das bedeutet, wie Morgenstern bemerkt,
„Selbst-Erkenntnis
des menschlichen als eben damit göttlichen Geistes.
Religion ist die Erkenntnis,
daß alles Denken im Tiefsten göttliches Denken ist,
wie alle Natur göttlichen Wesens
und jede Tat Handlung Gottes ist.“
2 Ihrer Anlage, ihrem Wesen nach ist
jede Seele göttlich.
Dieses Göttliche in uns und in allem, was lebt,
zu bejahen
und sichtbar zu machen –
das ist Religion.
3 Was alle Religionen mit Recht voranstellen, ist die
Liebe.
Denn sie ist die einzige Kraft, die dem Ungeist der Gewalt überlegen bleibt.
Liebe
löst nicht nur Leid,
sie überwindet auch Unduldsamkeit und Haß und wandelt
Zwietracht in Eintracht.
Das
liebende JA zu allem, was lebt,
ist der
Geist, der die Welt verwandelt
und die Menschen frei macht.
Wo der Geist der Liebe einzieht,
wandelt sich das interessenbedingte Nebeneinander der Menschen in echte Menschenbruderschaft.
Das bedeutet das
Ende von Not und Streit, Machtgier und Krieg.
Nur von außen her gesehen,
sind wir Menschen lauter Einzel-Wesen.
Jeder sieht sich vom anderen getrennt und auf sich gestellt.
Von innen her gesehen, ist die Menschheit eine lebendige Einheit,
ein einziger bio-psychischer Organismus,
in dem jeder Einzelne
als unentbehrlicher Teil des Ganzen
für das Wohl der Gesamtheit
mitverantwortlich ist.
Tief innerlich weiß er um diese Mitverantwortung.
Das Gewissen ist Ausdruck gemeinsamen Wissens um die innere Einheit.
Der Mensch erfüllt diese seine Mitverantwortung dadurch,
daß er zuerst für
Frieden in seinem eigenen Innern
sorgt, von da aus für
Frieden in seinem Heim,
in der Familie, in der Gemeinschaft,
unter den Völkern und in der Menschheit.
Was Friedensverträge, wie die Geschichte zeigt, nur unzulänglich erreichten, wird durch den vom Einzelnen angestrebten
Geist der Friedfertigkeit und Verträglichkeit streitlos
bewirkt.
4 Letztlich
laufen alle religiösen Forderungen
auf den Imperativ hinaus:
Sei gut und tue das Gute!
Wer diesem Imperativ folgt,
entfaltet die lichte, göttliche Seite seines Wesens,
gelangt zum Leben aus dem
Geiste der Einheit
und wird
zu einer lebendigen
Verkörperung des göttlichen Wesens.
5 Das Gemeinsame
ihrer Erkenntnisse und Kündungen
ist die Gott-Erfahrung,
die aus der
Selbst-Erfahrung und Selbstverwirklichung
erwächst,
weiter die
Gewißheit der Unvergänglichkeit des innersten Selbst des Menschen,
die Einsicht in das
Gesetz des Ausgleichs,
demzufolge das Gute sich immer selbst belohnt
und das Ungute sich selbst korrigiert,
dann die diesem Gesetz zugrundeliegende
Allkraft der Liebe
sowie der die Entwicklung alles Lebendigen
von innen her lenkende Zug zur Vollendung durch
Verinnerlichung, Vergeistigung und fortschreitende Vergöttlichung
im Sinne des Imperativs:
„Werdet vollkommen, wie Gott vollkommen ist!“
6 Wir müssen einsehen, daß die
Wahrheit
auf hunderttausendfache Weise ausgedrückt
werden kann
und daß jede dieser Ausdrucksweisen
in dem betreffenden Falle
wahr ist.
Wir müssen lernen, daß
dieselbe Sache
von hunderten verschiedener Standpunkte aus
betrachtet werden kann und doch
dieselbe bleibt.
7 Nehmen wir zum Beispiel die
Sonne:
Ein Mann, der am Morgen die Sonne,
während sie aufgeht,
von der Erde aus betrachtet,
sieht eine große Kugel.
Angenommen, er startet zu einem Flug zur Sonne,
bis er ihr ganz nahhe ist.
Die Aufnahmen,
die er aus verschiedenen Abständen gemacht hat,
würden alle voneinander verschieden sein;
bei seiner Rückkehr
würde er entsprechend viele Fotografien
von anscheinend jeweils verschiedenen Sonnen
mitbringen,
und doch wäre es, wie wir wissen,
immer die gleiche Sonne,
die während der verschiedenen Stadien der Reise
aufgenommen wurde.
8 Ebenso ist es mit
Gott:
In unzählichen Philosophien, Mythologien und Gottesdiensten
ringt jede Seele, jede Sekte, jede Nation
bewußt oder unbewußt
nach oben, zu Gott; jede
Vision der Wahrheit,
die ein Mensch hat, ist eine
Vision Gottes.
9 Angenommen,
wir gehen mit Gefäßen zu einem See,
um Wasser zu holen.
Der eine hat einen Becher,
der andere einen Krug,
ein anderer einen Eimer usw.,
und wir alle füllen unsere Gefäße.
Der, welcher einen Becher mitnahm, hat das Wasser
in Form eines Bechers;
der mit dem Krug hat das Wasser
in der Form eines Kruges
usw.
Aber in jedem Falle bleibt Wasser Wasser.
Ebenso ist es mit der
Religion:
Unsere Seelen gleichen diesen Gefäßen,
und wir alle suchen
Erkenntnis Gottes zu erlangen und zu verwirklichen.
Gott gleicht dem Wasser,
das die verschiedenen Seelengefäße füllt.
Aber
er ist und bleibt einer;
er ist Gott in jedem Falle.
Dies ist die
primäre Erkennung der Universalität,
welche wir erlangen können.
10 Theoretisch ist alles soweit in Ordnung;
aber gibt es auch einen
praktischen Weg,
um diese Harmonie der Religionen herbeizuführen?...
Bislang sind die Pläne einer religiösen Harmonie
bei der Durchführung gescheitert,
weil man diese an bestimmte Doktrinen binden wollte; …
Auch ich habe meinen kleinen Plan.
Ich weiß nicht, ob er durchführbar ist oder nicht;
doch möchte ich ihn hier vortragen.
Wie sieht er aus?
Als erstes möchte ich bitten,
den Leitsatz anzuerkennen:
“Zerstöret nicht!“
Bilderstürmende Reformatoren schaden der Welt.
„Reißt nicht nieder, sondern baut auf.
Helft, wenn Ihr könnt.
Sprecht kein Wort gegen eines Menschen Überzeugung,
wenn sie aufrichtig ist.“
Zweitens:
„Nehmt und bejaht jeden Menschen, wie er ist,
und gebt ihm Euren Beistand,
der ihn von seinem jeweiligen Standpunkt emporführt.“
Wenn es wahr ist, daß
Gott der Mittelpunkt aller Religionen
ist, und daß jeder von uns sich auf ihn zu bewegt, dann ist gewiß,
daß wir alle den Mittelpunkt erreichen müssen.
Und im Zentrum, wo sich alle Radien treffen, werden
alle Unterschiede schwinden;
aber
bis zu diesem Punkt werden sie bleiben.
Sämtliche Radien laufen im gleichen Mittelpunkt zusammen.
Der eine reist
entsprechend seiner Natur
entlang dieser Linie,
der andere entlang einer anderen;
wenn wir aber alle unserer eigenen Linie folgen,
werden wir bestimmt den Mittelpunkt erreichen.
Jeder von uns wächst und entwickelt sich entsprechend seiner eigenen Natur;
jeder wird zu seiner Zeit die höchste Wahrheit erkennen,
denn schließlich müssen die Menschen ihre
eigenen Lehrer
sein.
11 Eine neue Ära wird in der Menschhei
t anbrechen,
wenn die Religionen
im Geiste der Toleranz
zu gemeinsamer Arbeit für die Menschheit zusammenfinden.
Dazu mitzuhelfen, ist
unsere Aufgabe.
Schon die älteste Bibel der Menschheit, der Rigveda,
enthält im Schlußhymnus eine
Mahnung zur Einheit,
die die Bekenner der verschiedenen Religionen beherzigen sollten:
„Vereint kommt, vereint redet,
laßt eure Geister übereinstimmen!
Laßt Euer Streben vereint sein,
geeint auch eure Herzen!
Dient dem Geist der Einheit, auf daß es allen Wesen wohl ergehe!
Friede! Friede! Friede!“
12 Möge die
Universale Religion
das Gebet des
Heiligen Franz von Assisi
zum
Weltgebet
aller den Frieden auf Erden bejahenden Menschen erheben:
„Mache mich, Gott,
zum Werkzeug Deines Friedens
und wirke,
daß ich Liebe übe dort, wo man haßt,
daß ich verzeihe dort, wo man beleidigt,
daß ich verbinde und eine, wo Streit herrscht,
daß ich die Wahrheit sage, wo Irrtum sich breitet,
daß ich Glauben bringe dort, wo Zweifel drücken,
daß ich Hoffnung erwecke, wo Verzweiflung quält,
daß ich Licht entzäünde, wo Finsternis regiert,
und Freude bereite, wo Kummer wohnt.
Laß mich stets danach trachten,
Gott,
nicht, daß ich getröstet werde,
sondern daß ich andere tröste,
nicht, daß ich verstanden werde, sondern die anderen verstehe,
nicht, dass ich geliebt werde, sondern die anderen liebe!
Denn wer da hingibt, empfängt,
wer sich vergißt, der findet,
wer vergibt, dem wird vergeben,
und wer da stirbt,
erwacht zu ewigem Leben!“